Story

 «Das Eidechsenkind» nimmt die Lesenden mit in die 1960er- und 1970er-Jahre und erzählt eine fiktive Geschichte über italienische Gastarbeiter in der Schweiz.

 Der Vater arbeitet in der Schweiz auf dem Bau und die Mutter putzt. Es soll nur ein paar Jahre sein, bis der Hausbau in Ripa finanziert ist und sie zurück können. Das Kind wächst bei seiner Nonna in einer glücklichen Welt auf. Als diese dann stirbt, müssen die Eltern ihren Jungen ins kalte, feuchte, neblige Nachbarland mitnehmen. Es darf jedoch im Gastland niemand von der Existenz dieses Kindes erfahren. Es bleibt alleine in der Wohnung und wenn Besuch kommt, versteckt es sich unter der Kredenze, unter die Bank, hinter den Vorhang oder im Schrank, es darf keine Spuren hinterlassen. Immer in der Angst, sofort ausgewiesen zu werden und die Arbeit zu verlieren.

 Als das Kind grösser wird, unternimmt er heimlich Streifzüge im Treppenhaus, vom Keller bis unter das Dach oder auch in andere Wohnungen. Bleibt bewegungslos und unsichtbar, wenn jemand in seine Nähe kommt. Das Eidechsenkind gibt sich Emmy, dem Mädchen das neu im dritten Stock wohnt zum Erkennen.

 

Autor

 Vincenzo Todisco wurde als Sohn italienischer Einwanderer in Stans geboren. Er studierte Romanistik (Italienisch und Französisch) an der Universität Zürich und war bis 2004 Redaktor bei der Kulturzeitschrift Quaderni grigionitaliani. Er ist Dozent an der Pädagogischen Fachhochschule Graubünden und lebt in Rhäzüns.

 Todisco schreibt in italienischer und deutscher Sprache. Seine ersten vier Romane verfasste er auf Italienisch, sie wurden in deutscher Übersetzung vom Schweizer Rotpunktverlag herausgegeben.

 Der jüngste Roman, Das Eidechsenkind, ist Todiscos erste Buchveröffentlichung auf Deutsch.

 

Sprache und Stil

 Die Geschichte wird scheinbar einfach, aber ganz nah und in einfachen, klaren Sätzen mit einer beklemmenden Perspektive des eingesperrten Kindes entfaltet.

 Die Atmosphäre des Einwanderlandes Schweiz in den frühen 1960er Jahren ist präzise erfasst und erzählt die Geschichte eines Kindes, das nicht hätte da sein dürfen.

 

Was hat mich bewegt

 

-    Vincenzo Todisco hat diese Geschichte geschrieben, weil seine Eltern in den 60er-Jahren auch aus Italien eingewandert waren. Er selbst ist 1964 in Stans geboren und von Anfang an zweisprachig aufgewachsen.

 -    Das gewisse Geschichten sich immer wieder wiederholen.

 -    Was wird aus einem Kind, das so isoliert wird, dass es weder in die Natur, noch in die Schule oder andere Kinder treffen kann?

 

M.Z.

 

Kommentare: 3
  • #3

    Claudia (Sonntag, 06 Dezember 2020 14:19)

    Während dem lesen musste ich immer wieder an die Kinder denken die dies wirklich durchmachen mussten...hoffentlich keines für so lange Zeit!

  • #2

    Elsbeth (Samstag, 05 Dezember 2020 15:00)

    Der Autor beschreibt akribisch das Leben eines Kindes, das mit seinen italienischen Eltern in der Schweiz lebt und eigentlich nicht hier sein darf. Er erzählt, wie es das Kind anstellen muss, damit es unsichtbar bleibt und lässt erahnen, was dem Kind entgeht als Grundlage für ein selbstbewusstes Leben. Mich hat die Lektüre bewegt. Gleichzeitig war es eine Geschichtslektion über das Schicksal vieler Gastarbeiterkinder in der Schweiz, die ich so nicht kannte.

  • #1

    Ernst (Sonntag, 29 November 2020 21:19)

    Eine bewegende Geschichte: Das Kind wird erst im letzten Viertel zum Mann – vorher ist es geschlechtsneutral.
    Das Kind lernt erstaunlich intrinsisch motiviert: beim Mädchen und beim Professor: versuchen wir mit allen Mitteln „durch Ziehen am Gras, das Wachstum zu fördern? Das grösste Defizit wegen der Abgeschiedenheit ist sicher das soziale Verhalten (bei Frust in irgendetwas beissen, davonlaufen,…).