Story

 

Mr. Stevens, langjähriger sehr traditioneller Butler auf einem englischen Landgut, das von einem Amerikaner aus dem Nachlass von Lord Darlington erworben hat, macht in den Fünfzigerjahren – auf Anweisung seines neuen Herrn – eine sechstägige Autoreise durch Südwestengland. Dabei reflektiert er hauptsächlich seine berufliche Rolle und die Bedeutung seines Berufsstandes.
Original: Englisch 1989; deutsche Übersetzung 1994; aktuelles Buch: 2005 / 2016   

 

 

Sprache

 

Der grösste Teil umfasst Selbstreflexion der Hauptperson, wie an den Leser gerichtet und dies in einer Sprache, die mich an Thomas Mann oder Adolf Muschg erinnern. Dieser Stil passt genau zum Umfeld der traditionellen Hierarchie in einem englischen Adelshaus.  Zu Beginn habe ich mich etwas über die eingeschobenen und Nebensätze mokiert und auch etwas genervt über Wiederholungen, wie sie halt im täglichen Leben auch immer vorkommen.

 

 

Beziehungen

 

Zum alten und neuen Herrn:  Bedingungsloses Vertrauen in einen grossen Chef (keine eigene Meinung zu einem Philanthropen, der die europäische Stimmungslage zwar sehr treffend einschätzt und durch beste Beziehungen etwas bewirken könnte, letztlich aber an der Hinterlistigkeit der Realpolitik scheitert) und dem Umgewöhnen auf lockere Sprüche, die vom neuen Chef erwartet werden, mit denen er sich erst auf der letzten Buchseite anfreunden kann

 

Zur Kollegin / Haushälterin Miss Stenton: Weist zunächst „Ihre Blumen“ zurück, baut trotzdem ein kollegiales Verhältnis auf, das vielleicht auch mehr sein könnte. Herrliche Beschreibung der gegenseitigen Sticheleien. Trotz Erwartungen (seine Reisemotivation: mögliche Rückkehr der inzwischen – unglücklich? – verheirateten Miss Stenton) bleibt seine Empathie meilenweit hinter seinem Berufsverständnis zurück 

 

Zu Berufskollegen:  Akademische Gespräche über grosse Butler geben ihm Halt und Vision

 

Zum Vater: Bewunderung als grossen Butler, aber totales Unvermögen der Einfühlung in die letzte Lebensphase und auch ins Sterben (die grosse, wichtige Konferenz im Hause ist ihm wichtiger); spezielle gegenseitige formelle Anreden der beiden

 

 

Autor

 

Dem Namen und Geburt nach Japaner, aber seit 6. Lebensjahr in England und eigentlich dadurch mehr Engländer als ein gebürtiger è sein „Nobelpreisbuch“ will ich gerne lesen

 

 

Umfeld

 

Das Wertesystem in England in der Nachkriegszeit ist im Wandel: nicht mehr der Adel, sondern das Geld gibt den Takt an. Trotzdem scheinen noch Überreste der alten Hackordnung und der Formalitäten zu überleben (Diskussion „was ist Würde“ bei dem zufälligen Abendessen im kleinen Dorf nach der Autopanne, bei dem er als Gentleman oder Adliger erscheint).

 

 

Kommentare: 3
  • #3

    Elsbeth (Sonntag, 23 Juni 2019 13:55)

    Das Buch braucht Geduld und Musse, sich einzulassen. Mich hat die einfühlsame Sprache, die die Geschichte des Butler Stevens beschreibt fasziniert. Diese für uns so fremde Lebenswelt, die servile bis unterwürfige Haltung des Butlers gegenüber seiner «Herrschaft», die Tatsache dass er seine eigenen persönlichen Bedürfnisse aus lauter Pflichtbewusstsein völlig ignorierte und sich nicht erlaubte, eigene Gedanken zu entwickeln, geschweige zu äussern ist die Tragik dieser Figur.
    Für sein eigenes Glück ist kein Platz in seinem Leben – das erkennt er zu spät.

  • #2

    Ursi (Montag, 17 Juni 2019 10:59)

    Vielschichtige Geschichte eines Butlers. Tragisch. Regt zum Nachdenken an. Langatmig.

  • #1

    Susi (Donnerstag, 09 Mai 2019 14:02)

    Ohne den Buchclub hätte ich das Buch nie gelesen. Die Sprache mit den unheimlich langen Sätzen, war faszinierend und mühsam zugleich. Daher für mich nicht flüssig zu lesen. Das Thema für sich aber trotzdem spannend.